Gebrauchte Kleidung nach Afrika schicken?

In Deutschland gibt es gelegentlich DIskussionen darüber, ob es sinnvoll ist, gebrauchte Kleidung nach Afrika zu senden, oder ob dadurch die Textilindustrie in afrikanischen Ländern kaputt gemacht wurde oder wird.

Zunächst muß unterschieden werden zwischen:

  • Gute und heile gebrauchte Kleider werden zur Partner-Gemeinde geschickt, und dort an die Bewohner verkauft, die Einnahmen benutzt die Partner-Kirchengemeinde für ihre Aufgaben (so passiert es mit unseren Sendungen)
  • Kommerzielle Unternehmungen in Deutschland sammeln Altkleider, und senden/verkaufen diese  in großen Containern nach Afrika, dort werden sie von Händlern verkauft,
  • Unternehmen senden Lumpen oder zerstörte unverkäufliche Neuware nach Afrika, statt diese hier zu entsorgen.

 

Im folgenden einige Berichte dazu:

Deutsche Welle-Kommentar: Ostafrika braucht Second-Hand-Kleidung   https://p.dw.com/p/2tduZ

Deutsche Welle: Ostafrika kämpft weiter gegen Second-Hand-Kleidung  https://p.dw.com/p/2tLsN

Information einer Deutschen in Tansania: Die Bremerin Brigitta James hat einen Tansanier geheiratet, und lebt jetzt in Arusha im Norden von Tansania. Sie lebt dort das Leben einer normalen tansanischen Mittelstandsfamilie. Sie kennt also sowohl die deutsche, als auch die tansanische Sicht. In ihrem, äußerst lesenwerten, Buch "Episoden aus Tansania" schreibt sie die Antwort einer der zahlreichen Kleiderverkäufer zum o.a. Problem: "unsere Textilindustrie ist aus anderen Gründen kaputt gegangen ...  Wenn es keine guten Altkleider aus Europa mehr gibt, müssen wir chinesische, synthetische Kleidung verkaufen, die keiner haben will. - Und ich werde meine Arbeit los und habe kein Einkommen mehr. ..."

Zusammenfassung der genannten Artikel:

Die Textilindustrie in Ostaftika (incl. Tansania) ist viel zu klein um den Bedarf an Kleidung zu decken. Ein Aufbau der Textilindustrie ist dort gewünscht, kommt aber nicht voran, u.a. wegen mangelnder Infrastruktur und zuverlässiger Stromversorgung (ein oft fatales Problem seit Jahrzehnten für alle Industrie-Aufbau-Versuche).
Gebrauchtleidung konkuriert also nicht mit einheimischer Neuware, sondern mit importierter billiger chinesischer Kunststoffkleidung. Die gilt als minderqualitativ gegenüber westlicher Second Hand Kleidung und wird nicht gewünscht von den Kunden in Tansania, ist ausserdem wesentlich teurer als die westliche Second Hand Kleidung. Deshalb könnten sich die meißten Leute, besonders in ländlichen Gebieten, die Neukleidung nicht leisten.
Zusätzlich schafft der Vertrieb über kleinste Händler und das Umarbeiten/Anpassen der Second Hand Kleidung durch Schneider extrem vielen Menschen Einkommen, mit denen sie ihre Familien ernähren. Den Schätzungen nach mehr Menschen, als durch Fabriken Einkommen hätten.

Fazit des Partnerschafts-Aktiven Jochen Döring aus Haar:
Der Gebrauchtkleider-Handel in Afrika Ruin der Textilindustrie durch Altkleider – eine Mär

Seit Mitte der 1990er Jahre wird in Fernseh- und Zeitungsbeiträgen immer wieder behauptet, durch den Gebrauchtkleiderhandel aus Europa (und den USA) wäre die tansanische (und andere afrikanische) Textilindustrie mit 80.000 Arbeitsplätzen zerstört worden – mit so plakativen Titeln wie „Die Altkleiderlüge“. Eine Lüge sind diese nachweislich falschen Berichte! Richtig ist, dass in den 1980er Jahren aufgrund der Vorgaben von Weltbank und IWF die Subventionen für die nicht überlebensfähige Textilindustrie (überwiegend in chinesischem Besitz!) eingestellt werden mussten – das überlebten die meisten Produzenten nicht. Eine Folge davon war, dass 1987 die bestehenden Importverbote aufgehoben wurden. Seit 2004 wurden die falschen Behauptungen mehrfach von anerkannten Organisationen widerlegt, u.a. vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und dem Dachverband FairWertung (www.fairwertung.de). Tatsache ist, dass durch die Secondhand-Textilien nicht Arbeitsplätze vernichtet, sondern geschaffen wurden – allein in Tansania etwa 30.000: in einer weit verzweigten Wertschöpfungskette sind Händler und Schneiderinnen beteiligt! So helfen die Importe, die Armut zu lindern und die Menschen können sich qualitativ gute Ware zu fairen Preisen kaufen. Mitumba, wie Gebrauchtkleidung genannt wird, ist in allen Bevölkerungsschichten sehr beliebt und die Beklei­dungsgrundlage der meisten Menschen in Afrika. Lesen Sie dazu den Artikel ⇒“Altkleider machen Leute aus der Zeitschrift Mission EineWelt, Ausgabe Dezember 2012-Februar 2013

(mit freundlicher Erlaubnis kopiert aus https://ilembula.de/aktion/sachspenden/ )

 

Was passiert mit den (gebrauchten) Kleidern, die wir von Jesaja nach Mavande schicken?

Mitte März 2020 ist der Container angekommen, den wir Ende November auf die Reise geschickt hatten. Darin waren u.a. 10 Säcke mit gebrauchten, aber guten Kleidern. Das Partnership Committee in Mavande sagt, auch im Namen der ganzen Gemeinde Mavande, herzlichen Dank dafür!

 

Bildrechte beim Autor

Am 30. März 2020 schrieb mir Pfr. Mwelange, wie die Säcke mit Kleidung verwendet wurden: Sie wurden verteilt an die verschiedenen Kirchen in der Kirchengemeinde Mavande:

  • Mavande (Hauptkirche): 2 Säcke
  • Mavindi: 1 Sack
  • Idete: 2 Säcke
  • Sayuni: 1 Sack
  • Utengule: 2 Säcke
  • Ujange: 1 Sack

Dort sind jeweils nach dem Gottesdienst am 29.März die Kleider versteigert worden. Siehe Bilder:

 

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Bei diesen Versteigerungen wird einerseits auf die Wohlhabenden sozialer Druck ausgeübt reichlich zu bieten, andererseits wird armen Gemeindemitgliedern erlaubt, die benötigten Kleider günstig zu ersteigern, indem die anderen dann nicht mitsteigern.

Das finanzielle Ergebnis: 520 000 Tansanische Schilling, umgerechnet 223 €.

Für den Versand dieser 10 Säcke Kleider im Container haben wir, incl. des Zolls auf gebrauchte Kleider, 222 € bezahlt.

Ich bin selbst verblüfft, dass diese Beträge zufällig fast übereinstimmen. Hätten wir also genauso gut statt der Kleider das Geld, welches wir für den Transport ausgegeben haben, dorthin überweisen können?
Geld ist nicht alles, und ist sicher nicht das wichtigste Kriterium für die Frage, ob es sinnvoll ist, (gebrauchte) Kleider nach Tansania zu schicken. Deshalb hier andere Vor- und Nachteile:

Folgende Vorteile hatte es, dass wir die Kleider geschickt haben:

  • die armen Gemeindemitglieder in Mavande konnten günstig Kleider bekommen
  • wir haben gemeinsam im Team dafür gearbeitet, Mavande zu unterstützen, angefangen bei der Kleiderkammer, welche gerne die Kleider ausgesucht und zusammengestellt hat, über das Verpacken und Beschriften der Säcke, bis zum Transport zum Container Sammel-Ort (bei  Ismaning)
  • die Christen in Mavande erleben, dass wir an sie denken und sie unterstützen
  • wir halten also die Partnerschaft mit Mavande lebendig
  • wir erfüllen damit den ausdrücklichen Wunsch von Mavande, dass wir Kleider statt Geld schicken
  • der Zoll auf gebrauchte Kleider kommt dem tansanischen Staat zugute, kein beabsichtigter Effekt, aber nützlich.
  • Bitte beachten: die Kleider werden dort nicht verschenkt, sondern müssen gekauft werden (wenn auch von den Armen für wenig Geld) - wir schaffen also keine Dumping-Konkurrenz zu den dortigen (Gebraucht-) Kleider-Märkten. Produktion von Alltagskleidern gibt es in Tansania nicht, insofern machen wir durch das Hinsenden auch keine Produktion kaputt. Neue Kleidung (westlicher Art) welche in Tansania verkauft wird, ist üblicherweise billige Ware aus China, aus Kunststoff-Material, kein Wunder dass aus Europa importierte Gebrauchtkleider der chinesischen Neuware gegenüber als Qualitätsware gelten. [anders verhält es sich mit traditioneller tansanischer Kleidung - aber solche senden wir nicht dahin  ;-) ]

Andererseits, wenn wir Geld statt Kleidern senden, hätten wir weniger Arbeit.


Aussage der Evangelisten-Versammlung 2023: "Diese Kleidersendungen von Jesaja helfen sehr,  insbes. den Armen. Oft hört mensch, dass sie stolz sind auf die 'Clothes from Jesaja'. " Anm.: in Mavande werden die Kleider versteigert, nicht verschenkt, an die Gemeindemitglieder, an Arme vergünstigt. Die Einnahmen aus der Versteigerung gehen an die Gemeinde.
 

Zuletzt noch eine Betrachtung der Menge unserer Sendung

Im Vergleich zu den anderen ev.-luth. Gemeinden im Münchner Osten und Süd-Ost sandten wir von Jesaja wenig Güter: 1 - 3 Kubikmeter gegenüber bis zu 7 Kubikmeter bei den anderen 13 Kirchengemeinden, die in diesem Container gesendet haben.

Ihr
Jürgen Hain